- Die erste Einrichtung dieser Art im europäischen Raum -
Im Vogelpark Detmold-Heiligenkirchen gibt es eine bisher in Europa einmalige Einrichtung: eine Papageienaufzuchtstation, die auch für Besucher einsehbar ist.
Im Vogelpark, der regional und überregional für sein reichhaltiges Artenspektrum, unter besonderer Berücksichtigung zahlreicher Papageienarten, bekannt ist, werden seit Jahren Papageien erfolgreich nachgezüchtet.
Bei den Nachzuchten wird von seiten der Vogelparkleitung größter Wert auf eine Naturbrut gelegt, d.h. die Aufzucht der Jungvögel durch die Elterntiere. Leider geschah und geschieht es immer wieder, dass Elternvögel nicht zu einer Aufzucht in der Lage sind bzw. kein Interesse am Gelege zeigen.
Als Schutz vor einem Verlust der Brut wird in solchen Fällen im Vogelpark der beschwerliche Weg der Handaufzucht gewählt. Bisher sorgten der Vogelparkleiter, F.W. Eckstein, bzw. einzelne Tierpfleger in der eigenen Wohnung für diese Handaufzuchten. 1989 entstand dann die Idee, die Handaufzucht in den Vogelpark selbst zu verlegen und so den Besuchern einen Einblick in die Arbeit zu ermöglichen.
Im Zentrum des Geländes entstand ein achteckiger Pavillion, der mit etwa 5 Metern Durchmesser und 5 Metern Höhe einen Blickpunkt des Parks bildet. Bei der Auswahl der Baustoffe wurde nach Möglichkeit Naturmaterial der Vorzug gegeben.
Das Holzgebäude mit dem Reeddach und den 5 Frontscheiben ist somit schon rein optisch ein attraktiver Punkt im Park.
Wie bereits erwähnt, werden in diesem Gebäude nun alle Arten von Papageien und zusätzlich auch einheimische Vogelfindlinge aufgezogen, die von Einwohnern der umliegenden Ortschaften aufgefunden und im Vogelpark abgegeben werden.
Das Alter der Zöglinge liegt zwischen dem Eistadium und dem Erwerb der selbständigen Futteraufnahme. Dieses Stadium kann bis zu 120 Tage (z.B. beim Molukkenkakadu) dauern. Für die Aufzucht stehen 8 Brutmaschinen sowie ein Schaubrüter mit Plexiglasfront zur Verfügung. Zusätzlich gibt es 10 Aufzuchtkästen für Jungvögel mit einer maximalen Aufnahmekapazität von 40 Papageien. Um den Aufzuchterfolg zu gewährleisten, wird ein konstantes Klima mit einer Temperatur von 25 °C bis 27 °C und einer Luftfeuchtigkeit von etwa 40 % eingestellt. Eine Umwälzanlage sorgt für kontinuierlichen Raumluftaustausch.
Neben diesen Fütterungen werden die Vogelbabies zwischen dem 1. und 14. Lebenstag alle 2 Stunden gefüttert, später richtet sich die Häufigkeit der Futtergabe nach den individuellen Ansprüchen der jeweiligen Spezies.
Im Schaubrüter befinden sich ständig Eier des Haushuhnes (Gallus gallus), um dem Besucher auch zwischen den Fütterungen die Möglichkeit zu bieten, einmal bestimmte Stadien in der Entwicklung eines Jungvogels kennenzulernen. Naturgemäß wird der Besucher über den Schaubrüter allerdings nur einen Ausschnitt der stetig fortschreitenden Entwicklung betrachten können.
Die ursprüngliche Idee, die Jungvogelaufzucht aus der eigenen Wohnung in den Vogelpark zurückzuverlegen, wurde zunächst aus der Not heraus geboren, einmal Arbeit und Privatleben voneinander trennen zu wollen. Sehr schnell kam man jedoch zu der Überlegung, dass eine Jungvogelaufzucht, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, auch sehr sinnvoll sein kann. Einerseits wird dem Besucher der immense Arbeitsaufwand verdeutlicht, der notwendig ist, um eine möglichst erfolgreiche Aufzucht und Haltung zu gewährleisten. Wenn auf Grund dieser Eindrücke der Vogelkauf (mit anschließend entsprechend schlechter Tierhaltung) aus einer spontanen Regung heraus, zumindest bei einzelnen Besuchern verhindert werden kann, wäre nach Meinung der Mitarbeiter des Vogelparks bereits ein gewünschter Erfolg eingetreten.
Andererseits hat diese Form der Jungvogelaufzucht den Effekt, dem heutigen, wenig Natur erlebenden Stadtkind (aber auch Erwachsenen), einen der wesentlichsten Ausschnitte von Natur, die Entwicklung eines Lebenwesens, nahe zubringen. Aus diesem Grund werden auch ständig die einzigen bei wohl jedem Besucher bekannten Vögel, Wellensittiche (Melopsittacus undulatus), aufgezogen. Von diesen Vögeln, die bisher nur als subadulte bzw. adulte Tiere kennengelernt wurden, wird hier eine ganz anderen Perspektive vermittelt. Dem Kind wird plötzlich klar, welche komplizierten Entwicklungsstadien sein Hansi, Peppo oder Mäxchen durchlaufen musste, bis er zum mehr oder weniger zahmen Käfigvogel herangewachsen ist. Eine wesentliche Erkenntnis, um den Käfigvogel als Lebewesen und nicht nur als Spielzeug zu verstehen.
Neben dieser Form pädagogischer Arbeit wird auch eine Art Biologieunterricht betrieben. Immer wieder werden von Besuchern oder Einwohnern umliegender Ortschaften Findlinge einheimischer Vogelarten zum Vogelpark gebracht. Einen Ara kennt fast jeder Besucher, wer hat aber schon einmal einen Jungvogel des Zilpzalps (Phylloscopus collybita), des Mauerseglers (Apus apus) oder des Zaunkönigs (Troglodytes troglodytes) aus der Nähe gesehen. Auch diese Vögel zieht man in Heiligenkirchen auf, mit dem Wunsch, eine größere Artenkenntnis beim Besucher zu erreichen.
Diese Arbeit, die beim Besucher ein größeres Maß an Naturbewußtsein und der Bereitschaft, Natur zu schützen, erreichen soll, wird von einer weiteren ganz konkreten Naturschutzarbeit begleitet, der Erhaltungszucht. Seit 1989/90 ist der Vogelpark Heiligenkirchen Mitglied im Erhaltungszuchtprogramm für die stark bedrohten Molukkenkakadus (Cacatua moluccensis) und Goffin-Kakadus (Cacatua goffini) und weiteren Arterhaltungsprogrammen. Auch deren Aufzucht findet bei Nichtannahme durch die Elterntiere in der neuen Station statt.
Zu den genannten Aspekten kommt noch, und auch dies soll nicht unerwähnt bleiben, der gesteigerte Schauwert des Vogelparks. Jungtiere und deren Aufzucht bilden immer eine Attraktion für die Besucher. Eine solche bisher in Europa einmalige Station wie in Heiligenkirchen, zeigt nun deutlich, dass auch Jungvögel durch ein ausgeprägtes Kindchenschema dem Betrachter durchaus als "niedlich" erscheinen. Dies ist aber eine Grundvoraussetzung für die erwähnte pädagogische Arbeit, da die Informationen nur an diejenigen Besucher weitergegeben werden können, die Interesse an der Anlage zeigen.
Insgesamt gesehen hat der Vogelpark mit dieser Anlage einen wichtigen Beitrag sowohl im Hinblick auf naturschützerische als auch auf pädagogische Maßnahmen geleistet. Es bleibt zu wünschen, dass diese Idee weiter ausgebaut, möglicherweise sogar auch von anderen Einrichtungen dieser Art übernommen werden kann.
E. Homann (Bielefeld); F.W. Eckstein (Heiligenkirchen)